Der Virus SARS-CoV-2 breitet sich in Europa weiter aus. Täglich wachsen die Zahlen der Infizierten, aber auch der Genesenen. Grundsätzlich gilt bei Epidemien: Solange die sogenannte Basisreproduktionszahl R0 > 1 ist, breitet sich der Virus weiter aus. Fällt R0 unter 1 dämmt die Ausbreitung ein, weil sich weniger neu infizieren als genesen (bzw. sterben). Das Modell ist recht simpel und beinhaltet zunächst weder Raum- noch demographische Strukturen. Bei SARS geht man i.Ü. von R0 = 3,5 aus. Ohne Impfstoffe und/oder Quarantänemaßnahmen wird so theor. (nach und nach) die gesamte Bevölkerung infiziert.
Geographische Strukturen als natürliche Isolationslinien
Menschen auf einer Insel befinden sich in einer natürlichen Isolation, da An- wie Abreise nur unter erschwerten Bedingungen (über Luft und/oder Wasser) erfolgen kann.
Auf dem Land stellen Flüsse und Berge natürliche Barrieren dar und die Bevölkerung verteilt sich räumlich nicht gleich, sondern konzentriert sich auf die besiedelten Flächen.
Die Karte zeigt die städtische Fläche von Bonn und die dazugehörige, in Wirklichkeit kleinere, besiedelte Fläche auf Stadtteilebene. Der Rhein teilt die Stadt in West und Nordost (Stadtteil Beuel mit den Postleitzahlen 53227, 53225 und 53229). Vom Rhein weg verdünnt sich der Siedlungskörper bis dahin, dass sogar einzelne Siedlungsinseln entstehen.
Die Bedeutung unterschiedlicher Nachbarschaften und Bevölkerungsdichten
Der geographische Raum sowie seine unterschiedliche Nutzung verfügen somit über natürliche Bevölkerungsinseln bzw. -zellen. Ohne Bewegung (Mobilität) in oder aus einer Zelle heraus verbreitet sich eine Epidemie nur innerhalb der Zelle selbst bzw. kann (Distanz- bzw. Barriere bedingt) nicht in eine andere Zelle überspringen. Diesen Nachbarschaftseffekt beschreibt 2013 u.a. der Artikel „Impact of neighborhood structure on epidemic spreading by means of Cellular Automata Approach“ mit folgendem Untersuchungsergebnis der drei Wissenschaftler: „We can then suggest that an accurate estimate of R0 have to take into account some Parameters related to the neighborhood structure as for instance the distance impact factor.“
Unterschiedliche Bevölkerungsdichten, Distanzen (wie auch Barrieren) von Zellen zueinander als auch voneinander abweichende Nachbarschaftsstrukturen sind erst intrakommunal, d.h. unterhalb der Kreis- und Gemeindeebene erkennbar (siehe Kartenausschnitt von Köln). Beeinflussen diese die Basisreproduktionszahl R0, verläuft die Ausbreitung nicht gleichverteilt in der Region (genauso wie es sich i.Ü. mit der Mortalität bzw. den Risikogruppen verhalten müsste, ja sogar Immunität). Nachfolgend dazu eine Karte des Bundeslands Thüringen mit der Anzahl der Influenza-Fälle n=16.418 der Jahre 2017/18, von denen 27 bzw. 0,2% verstarben.
Die geographischen wie sozio-demographischen (feinräumigen) Disparitäten könnten Grund genug sein, warum bisherige Epidemieprognosen oftmals versagten (vgl. N. Silver: Die Berechnung der Zukunft, Kapitel 7). Das SARS-Modell von 2012, was dem Bundestag vorgelegt worden ist und lediglich die unterschiedlichen Bevölkerungsgrößen je Kreis(-stadt) berücksichtigt, dürfte weder einer realen Ausbreitung eines modifizierten SARS-Virus (so wie aktuell der SARS-CoV-2) entsprechen, noch seiner Mortalitätsrate (siehe Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012, Seite 55ff).
Moderne mikrogeographische Datenbanken wie z.B. die CASA Datenbank beinhalten sozio-demographische Daten auf amtlichen Strukturen bis auf Adressebene. Sie können nahezu jede beliebige Strukturkennziffer feinräumig abbilden und könnten die Prognosen zukünftig entscheidend verändern.
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