Die Anzahl der Privathaushalte wird anders als die Einwohnerzahlen nicht regelmäßig von amtlicher Seite veröffentlicht. Für Kreise und Gemeinden liegt die aktuelle Haushaltszahl aus dem Zensus 2011 vor. Von einzelnen Gemeinden werden Haushaltszahlen in ihren statistischen Berichten in dem jeweiligen Stadtgebiet, oder sogar auf Ebene der Ortsteile veröffentlicht, diese decken sich aber nicht mit denen aus dem Zensus. Die Gründe für die Diskrepanz liegen unter anderem in der unterschiedlichen Definition dieser sehr wichtigen Kennziffer.
Belastbare Haushaltszahlen sind essentiell für viele Geomarketing Anwendungen.
Wie komplex die Ermittlung der amtlichen Haushaltszahlen sein kann, haben wir bei geomarketing.de bereits ausführlich beschrieben. Eine genaue Kenntnis dieses Merkmals ist für viele Geomarketing-Anwendungen und Analysen wie Standortplanung, Haushaltswerbung oder Verteilgebietsoptimierung essenziell. Im Breitbandausbau (bzw. FFTH-Ausbau) zum Beispiel wird darauf basierend der Netzausbau geplant. Auch das stellen von Förderanträgen ist ohne Angaben zur Anzahl an Haushalten die angeschlossen werden sollen kaum möglich. Erst kürzlich konnten wir im Rahmen eines Kundenauftrags einmal mehr feststellen, dass die amtlichen Angaben der Gemeinden zu Haushaltszahlen nicht zwangsläufig dafür geeignet sind. Im Rahmen eines Projektes zum Breitband bzw. FFTH-Ausbaus in einem Stadtteil von Velbert kontaktierte uns ein, mit der Planung eines Breitbandnetzes beauftragter, Ingenieur. Hintergrund der Kontaktaufnahme: Die von ihm adressgenau eingekauften Haushaltsdaten, passten nicht zu den Potenzialangaben der Gemeinde bzw. zu den Veröffentlichungen auf deren Website. Die erste Annahme, nämlich dass die Daten des Geomarketing-Dienstleisters schlichtweg falsch seien, erwies sich bei einer genaueren Analyse des Sachverhaltes aber als kaum haltbar. Vielmehr verdichteten sich die Indizien, dass die Angaben zur Anzahl der Haushalte in der Gemeinde auf der Homepage bzw. im Rahmen der Ausschreibung, für die Planung des Breitbandausbaus schlichtweg unbrauchbar waren.
Der Vergleich zweier amtlicher Quellen zu Haushaltszahlen wirft Fragen auf
Als Basis unserer Datenrecherche haben wir uns zunächst – als letzte, valide amtliche Basis – die Daten des Zensus 2011 zu den Haushalten in Velbert besorgt und diese mit den Angaben von der Gemeindewebsite verglichen:
Zensus 2011 | Eigenangaben 2021 | Diff (absolut) | Diff (%) | |
Einwohner | 81.303 | 84.651 | + 3.342 | + 4,1% |
Haushalte | 38.011 | 52.422 | + 14.411 | + 37,9 |
Ø Anzahl Einwohner/Haushalt | 2,14 | 1,61 | – 0.53 | – 24,8 |
Das Ergebnis war recht erstaunlich: Während die Anzahl der Einwohner um moderate 4,1% zugenommen hat, ist die Anzahl der Haushalte von 38.011 auf 52.422 förmlich explodiert. Mit einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von 1,61 Einwohnern würde Velbert diesbezüglich auch unter den nicht-Kreisfreien Städten einen der letzten Plätze einnehmen. Ist solch eine Entwicklung – die ja auch erhebliche Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt haben müsste – innerhalb von 10 Jahren plausibel?
Die Definition der Haushaltskennziffern kann stark variieren
Wir haben direkt bei der Statistik der Stadt Velbert nachgehakt und dazu folgende, sehr aufschlussreiche Informationen erhalten.
„Bei der Bestandsstatistik ist die Definition der Begrifflichkeit „Haushalt“ ganz einfach. Jeder über 18 Jahre bildet einen eigenen Haushalt und daher kann es sein, dass eine Familie (Ehepaar mit zwei Kindern über 18 Jahren unter einer gemeinsamen Adresse gemeldet) somit insgesamt bei der Bestandsstatistik als 4 Haushalte gezählt werden. Daher auch die große Abweichung zu den Zahlen des Zensus von 2011.„
Auskunf der Stadt Velbert per e-Mail
Es ist suboptimal, dass diese Haushaltsdefinition so nirgends auf der Webseite zu finden ist. Sie weicht nicht nur signifikant von dem, was man gemeinhin unter einem Haushalt versteht, sondern auch von der offiziellen Definition des statistischen Bundesamtes. Dort heißt es:
„Als Privathaushalt gelten Personen, die zusammenwohnen und gemeinsam wirtschaften, die in der Regel ihren Lebensunterhalt gemeinsam finanzieren bzw. die Ausgaben für den Haushalt teilen. […]“
Website des statistischen Bundesamtes zu Einkommen, Konsum und Lebensbedigungen
Dass die Stadt Velbert hier Ihre eigene, vereinfachte Definition von Haushalten benutzt, ist sicherlich dem Umstand geschuldet, dass die Ermittlung nach DESTATIS-Definition komplex und aufwändig ist (siehe auch unseren Artikel zu Haushalten). Die Datenlage im Melderegister lässt den Statistikern hier sicherlich wenig Spielraum für eine differenziertere Ausweisung der Haushaltszahlen. Eine etwas transparentere Umgang damit wäre allerdings wünschenswert. Denn: Bei Velbert handelt es sich um keinen Einzelfall. Bei unserer stichprobenartigen Recherche haben wir zahlreiche (auch kreisfreie) Gemeinden gefunden, deren Haushaltszahlen viele Fragen aufwerfen. Abschließend lassen sich damit recht gut drei Erkenntnisse ableiten:
1. Es ist wichtig und richtig Datenquellen, auch amtliche, kritisch zu hinterfragen und sich ggf. mit der Berechnungsgrundlage zu beschäftigen.
2. Daten von privatwirtschaftlichen Geomarketing-Dienstleistern können amtlichen Daten gegenüber eine bessere Datenqualität aufweisen und samit helfen teuer Fehlkalkulationen zu vermeiden.
3. In Zeiten eines exponentiell wachsenden Datenangebots gewinnt das Thema Data Science und damit auch Geomarketing (als Teilaspekt von eben diesem) eine immer größere Bedeutung.
Anmerkung:
Geomarketing.de bedankt sich bei der Statistik der Stadt Velbert für die schnelle und transparente Beantwortung unserer Fragen zu dem oben beschriebenen Themenkomplex.